Tierwohl und Tierbeschäftigung
Leicht ist man versucht, Tierbefinden und Tierhaltungen gemäß der menschlichen, subjektiven Gefühlslage zu bewerten. So mag das Gitter an einem Affengehege die menschlichen Betrachter stören, weil das Gitter ein inneres Bild von „Gefängnis“ erzeugt. Aus Sicht der Tiere kann das aber ganz anders aussehen: Die Affen nehmen das Gitter gerne als zusätzliche Möglichkeit zur räumlichen Bewegung an. Oder ein Tier wird einzeln gehalten. Der eine oder andere mag dann versucht sein, dies aus menschlicher Sicht als schlechte Tierhaltung zu bewerten oder den Gesichtsausdruck des Tieres als „traurig“ zu interpretieren. Möglich ist aber, dass sich die Tiere dieser Art außerhalb der Paarungszeit generell lieber alleine aufhalten und deswegen auch in menschlicher Obhut überwiegend einzeln gehalten werden.
Um eine Tierhaltung möglichst objektiv und auf das Tierwohl ausgerichtet zu bewerten, muss eine tiefergehende, systematische und kontinuierliche Bewertung erfolgen.

Das Five Domains Model in der Zootierhaltung
Das Five Domains Model stammt ursprünglich aus dem Bereich der Bewertung der Versuchstierhaltung und wurde sukzessive für weitere Tierhaltungsformen weiterentwickelt. Das Model fokussiert auf fünf Kategorien: Umgebung (Gehege), Ernährung, Verhalten, physische Gesundheit und mentale Gesundheit. Bei der Bewertung werden nicht die angebotenen Optionen (Gehege, Beschäftigungsmaterial, Futter etc.) primär bewertet, sondern vor allem darauf geachtet, inwiefern die Tiere die Angebote nutzen und ob Optimierungsbedarf in den einzelnen Bereichen besteht.
Das Five Domains Model hat sich in modernen Zoos als Standard für die Bewertung der Tierhaltung etabliert.
Naturnahe Gehege und intensive Betreuung

VdZ-Zoos sind bemüht, ihre Tiere in einem möglichst naturnahen Kontext zu präsentieren und die Gehege so zu gestalten, dass die Tiere möglichst viel artspezifisches Verhalten ausleben können und sich sicher und wohl fühlen. Natürlich gibt es hierbei viele Einschränkungen – nicht alle Anlagen können aufgrund von technischen, gesetzlichen, personellen oder auch finanziellen Anforderungen umgehend modernisiert werden. Auch auf die Ernährung wird viel Wert gelegt – sie soll sich an den natürlichen Ernährungsformen orientieren und diese so gut wie möglich nachahmen. Die körperliche Gesundheit wird fortlaufend von den Tierpflegenden und dem speziell ausgebildeten Veterinärpersonal überwacht.
Die tägliche Kontrolle und Beobachtung der Tiere, regelmäßige Gesundheits-Präventionsmaßnahmen und eine überdurchschnittliche veterinärmedizinische Versorgung im Krankheitsfall sind selbsterverständlich.
Die mentale Gesundheit
Die fünfte Kategorie des Five Domain Models, die mentale Gesundheit, ist wohl am schwierigsten zu bewerten. Denn niemand kann in ein Tier hineinschauen. Vom menschlichen Beobachtenden können nur die Zeichen, die das Tier aussendet, als Gemütszustände wie Freude, Entspannung, Angst oder Schmerzen interpretiert werden. Um möglichst viele positive Erfahrungen zu schaffen, werden Zootieren – aus Tiersicht – sinnvolle Beschäftigungen und mentale Anregung angeboten. Denn natürlich sind Zooanlagen reizärmer als der natürliche Lebensraum – negative Stressfaktoren wie Nahrungssuche, Hunger, Durst, Flucht, Verletzung, Eroberung von Territorien und in Teilen auch Partnerfindung und soziale Konflikte werden durch das Tierhaltungsmanagement und auch durch gesetzliche Vorgaben minimiert. Gleichwohl sind Tiere evolutiv auf einen gewissen Stress- und Reizlevel eingestellt.
Zoos schaffen zunehmend Herausforderungen für ihre Tiere, das sogenannte Enrichment, um sie mental fit zu halten.
Enrichment: Förderung des natürlichen Verhaltens von Zootieren

Zum Enrichment zählt, dass Tiere ihr Futter erarbeiten müssen, dass sie durch neue Gerüche angeregt werden, Anlagen unterschiedlich genutzt werden, um die Umgebung und Laufwege zu variieren, oder dass neuartige Gegenstände angeboten werden. Abwechslungsreiche Fütterungsmethoden, Kletter- und Versteckmöglichkeitengeben sind ebenfalls gezielte Anreize. So bleiben die Tiere aktiv, neugierig und zeigen ein breites Verhaltensspektrum – ein wichtiger Beitrag zu ihrem Wohlbefinden.